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Total Liberation Interview 1 – BerTA

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Der Begriff „Total Liberation“ taucht in den letzten Jahren immer häufiger in der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung auf. Er umschreibt die Idee, alle emanzipatorischen Bewegungen unter dem Überbegriff „Total Liberation“ zusammenzuführen. Da zu diesem Thema bislang eher wenig geschrieben wurde, haben wir verschiedene Gruppen und Einzelpersonen innerhalb und außerhalb der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung gefragt.

Wie verstehen und interpretieren einzelne Gruppen und Personen aus dem emanzipatorischen Spektrum das Konzept „Total Liberation“? Welche Perspektiven und Möglichkeiten bietet dieser Ansatz? Welche Herausforderungen und Probleme ergeben sich aus dem Zusammenschluss mit anderen, nichtveganen, emanzipatorischen Gruppen? Wie können wir das Thema für Aktive aus dem emanzipatorischen Spektrum attraktiv zu machen, für die Tierrechte und Tierbefreiung aktuell noch nicht Teil ihres politischen Engagements sind?

Wir veröffentlichen nun jede Woche eines dieser Interviews und wollen damit eine Diskussion zu diesem Thema anstoßen – innerhalb und außerhalb der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Wir hoffen auf fruchtbare und konstruktive Diskussionen. Zum Abschluss dieser Interviewreihe werden wir die, aus den Interviews und Diskussionen gewonnenen, Erkenntnisse und Fragestellungen in einem Artikel zusammenfassen.

Hier nun also das erste Interview aus dieser Reihe mit der Berliner Tierbefreiungsaktion (BerTA).


 

Stellt euch und eure Gruppe kurz vor. Seit wann gibt es euch und was sind die Schwerpunkte eurer Arbeit?

Die Berliner Tierbefreiungsaktion (BerTA) wurde 1997 gegründet. Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist Tierbefreiungsarbeit. Wir unterstützen Kampagnen wie die Offensive gegen die Pelzindustrie (OGPI) und Stop Vivisection (Air France Kampagne) mit regelmäßigen Kundgebungen, organisieren monatlich einen veganen Brunch und unregelmäßig Vorträge. Ab und zu sind wir auch mit Infotischen und veganem Essen auf Straßenfesten oder organisieren eine größere Aktion, wie z.B. 2014 die “Leichen pflastern deinen Weg” Kundgebungen mit Demo.

Wir verstehen uns auf jeden Fall als Teil der linken Tierbefreiungsbewegung und auch wenn unser Fokus auf der Befreiung von nichtmenschlichen Tieren liegt, denken wir bei all unseren Aktionen und Ideen andere Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse mit. Es ist für uns sogar eine logische Konsequenz aus linkem Anspruch heraus, also nicht hierarchisch handeln und leben zu wollen, dies auf das extreme Hierarchiegefälle zwischen Mensch und Tier zu beziehen. Es ist also logische Konsequenz emanzipatorisch mit allen menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen zu agieren und für uns somit auch vegan zu leben. Wir kritisieren andere Gruppen, die, wie z.B. PETA, sexistische oder rassistische Kampagnen und Aktionen machen.

Der Begriff ″Total Liberation″ taucht ja in den letzten Jahren immer häufiger auf. Was versteht ihr unter dem Begriff ″Total Liberation″?

Der Total Liberation Ansatz versucht, alle Ausbeutungsverhältnisse miteinander zu verbinden und gleichzeitig zu bekämpfen. Es geht darum, das Gewaltverhältnis, in dem nichtmenschliche Tiere leben, mit der Ausbeutung von Menschen in Verbindung zu bringen. Der Gedanke dahinter ist, dass alle Ausbeutungsverhältnisse zusammenhängen und deshalb nur gemeinsam beendet werden können. Es wird die totale Befreiung für Menschen und andere Tiere gefordert.

Welche Perspektiven und Potentiale seht ihr im Hinblick auf die Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen emanzipatorischen Gruppen?

Vernetzung ist immer bereichernd, sei es durch den Austausch von Aktionsformen, Strategien, Ideen oder durch gegenseitige Solidarität, z.B. wenn jemand oder eine Gruppe von Repression betroffen ist.

Wobei auch ehrlicherweise gesagt werden muss, dass es des Öfteren andere emanzipatorische Gruppen sind, die mit unserer politischer Arbeit kaum etwas anfangen können oder wollen und den Tierbefreiungsgedanken entweder nicht teilen oder eher ablehnend gegenüber stehen. Diese Voraussetzungen sind für eine Vernetzung über verschiedene politische Themenschwerpunkte hinweg natürlich eher kontraproduktiv. Was uns fern liegt, ist mit dem Finger auf andere Gruppen zu zeigen oder zu behaupten, wir wären perfekt. Mehr Offenheit anderer Gruppen, die bisher Tierbefreiungsarbeit (noch) nicht als festen Bestandteil emanzipatorischen Handelns betrachten, wäre jedoch wünschenswert.

Euer Fokus liegt, fast ausschließlich, auf Tierbefreiungsarbeit. Der ″Total Liberation″ Aspekt wird in eurer Arbeit kaum angeschnitten. Ergeben sich durch eure Arbeit hin und wieder Kontakte zu anderen, nicht veganen, Gruppen aus dem emanzipatorischen Spektrum und wenn ja, welchen Vorbehalten begegnet ihr und wie geht ihr damit um?

Wir versuchen als Gruppe natürlich andere emanzipatorische Projekte zu unterstützen, sei es finanziell oder indem wir Strukturen mit stützen. Zum Beispiel machen wir unseren Solinachmittag in einem linken Freiraum, wo es aber auch im dortigen Kollektiv einige Menschen gibt, die mit Tierbefreiungsarbeit nichts anfangen können. Dadurch kam es in der Vergangenheit ein paar Mal zu Diskussionen. An sich sind das die gleichen Vorbehalte, denen vermutlich alle Tierrechts-/befreiungsgruppen begegnen: sind wir menschenfeindlich, weil wir uns hauptsächlich für nichtmenschliche Tiere einsetzen? Reproduzieren wir Rassismen, wenn der Umgang mit Tieren in anderen Ländern kritisiert wird? Bedenken wir ausreichend die sozialen Hintergründe von Menschen, die aktiv an Tierausbeutung beteiligt sind?

Innerhalb von linken Zusammenhängen treffen wir selbstverständlich als Gruppe regelmäßig auf Gruppen oder Einzelpersonen, die noch nicht für die Thematik sensibilisiert sind. Es fällt einigen Menschen aus unserer Gruppe jedoch zunehmend schwerer, sich mit Einzelpersonen oder Gruppen auseinander zu setzen, die den Tierbefreiungsgedanken kategorisch ablehnen. Dann treffen wir auf Vorurteile und/oder Unwissen, denen wir es Leid sind weiterhin zu begegnen, da seit Jahren der gleiche falsche Inhalt reproduziert wird ohne sich ein Stück aus seiner Seifenblase heraus zu bewegen. Kritik ist immer erwünscht, sie sollte aber Substanz haben und sich nicht aus ihren eigenen Vorurteilen heraus begründen.

Wir stellen uns den Diskussionen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Es gibt sehr viel Scheiße auf der Welt, gegen die etwas gemacht werden muss und wir haben uns dafür entschieden, dass wir unsere Energie für die Befreiung der nichtmenschlichen Tiere nutzen. Das heißt aber nicht, dass uns Menschen egal sind. Und gerade wer sich mit dem Total Liberation-Ansatz auseinandergesetzt hat weiß, dass Unterdrückungsformen zusammenhängen und Sand im Getriebe dadurch nicht nur an einer Stelle Sinn macht.

Macht es aus eurer Sicht Sinn, zu versuchen, die Tierbefreiungsbewegung für Aktive aus dem emanzipatorischen Spektrum attraktiv zu machen, für die Tierbefreiung aktuell – noch – kein Thema ist?

Es macht immer Sinn zu versuchen Menschen, die noch nichts mit dem Thema anfangen können dafür zu begeistern und zu motivieren sich einzubringen. Mit Aktivist_innen aus dem emanzipatorischen Bereich teilen wir ja bereits viele Kritikpunkte am kapitalistischen System und der Gesellschaft. Sie müssten “nur” noch nichtmenschliche Tiere in ihre Überlegungen mit einbeziehen und eine Zusammenarbeit wäre enorm bereichernd.

Der Versuch, die Tierbefreiungsbewegung für andere attraktiv zu machen hat für uns aber auch Grenzen. Sich anzubiedern nur um auch als emanzipatorisch anerkannt zu werden finden wir problematisch. Wir tolerieren keinen Rassismus oder Sexismus innerhalb der Tierbefreiungsbewegung und kämpfen gegen Speziesismus. Deshalb wäre es für uns wichtig, den Antispeziesismus, auch in Form von Veganismus, irgendwann einzufordern, sollten wir enger mit anderen Aktivist_innen zusammenarbeiten.

Danke für das Interview @ BerTA

Übersicht aller bisher veröffentlichten Total Liberation-Interviews.

Der Beitrag Total Liberation Interview 1 – BerTA erschien zuerst auf Indyvegan.


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